
Herzschlag und Heimat
das Landschaftstreffen Donau der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) ist ein besonderer Höhepunkt im närrischen Kalender. Es führt uns zusammen, um ein Kulturerbe zu feiern, das über Jahrhunderte gewachsen ist, Generationen verbindet und uns allen Heimat und Identität schenkt.
Ehingen trägt dieses besondere Lebensgefühl seit Jahrhunderten in sich. Bereits 1618 ist belegt, dass hier, in Kügeleshausen, Fastnacht gefeiert wurde. 1874 gründeten engagierte Bürgerinnen und Bürger eine eigene Narrengesellschaft, die den Fasnetsbräuchen erstmals eine feste Form und Struktur gab.
Jede der Figuren der Ehinger Fasnet hat ihre eigene Geschichte, ihren eigenen Charakter, ihren unverkennbaren Klang – und doch bilden sie zusammen das Gesicht der Ehinger Fasnet und spiegeln deren Reichtum wider: Der Muckenspritzer als Symbolgestalt, das ausgelassenen Kügele, die geheimnisvollen wilden Weiber und unsere Krettenweiber mit den Bütteln. Waswäre aber die Fasnet ohne Musik; bei uns mit der unverwechselbare Mate-Kapelle, die jedem Auftritt den typischen Klang verleiht und den Schalmeien. Muckenspritzer – so nannte man einst die Ehinger Feuerwehrleute, weil sie im Jahr 1815 übereifrig am Liebfrauenturm statt eines Muckensturms einen Turmbrand erkannten. Aus diesem volkstümlichen Spitznamen erwuchs der Name „Spritzenmuck“ der Narrenzunft, der sich mit der Zeit verselbständigte und heute weit über Ehingen hinaus für die Fasnet der Stadt ein hohes Prädikat ist.
1934 trat die Zunft der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte bei. Damit wurde sie Teil einer Gemeinschaft, die heute über 70 Zünfte umfasst und sich dem Schutz, der Pflege und der Weitergabe der Fasnet verschrieben hat. Die VSAN ist so viel mehr als irgendein Verband – sie ist ein Netzwerk, ein Kulturträger, ein Garant dafür, dass die schwäbisch-alemannische Fasnet nicht zum bloßen Spektakel wird, sondern ihr Wesen behält: die Verwurzelung im Ort, das Leben aus der Mitte der Bevölkerung, das Weitergeben unserer Bräuche und Traditionen, ja dieses so ganz besonderen Lebensgefühls Fasnet über Generationen hinweg. Unsere Vereinigung ist ein Kulturträger erster Ordnung, der unser Brauchtum bewahrt und schützt. In einer Zeit, die durch Digitalisierung und Anonymisierung immer mehr entwurzelt wirkt, kann man diesen gesellschaftlichen Wert nicht hoch genug einschätzen.
Die Fasnet ist gerade deshalb viel mehr als Feierlaune. Sie ist ein Fixpunkt im Jahreslauf – ein Orientierungspunkt in einer Zeit, die oft rastlos wirkt und ihre Rhythmen verloren hat. Man lebt auf sie zu, man genießt sie in vollen Zügen, und man zehrt von ihr, und ja, man vermisst sie auch, wenn sie vorüber ist. Narren wirken nicht nur an den hohen Tagen, sondern das ganze Jahr über: beim Häsnähen, beim Maskenschnitzen, bei der Organisation der Umzüge, bei der Pflege der Tradition. Fasnet schafft Bindung, Zusammenhalt und Solidarität weit über die närrische Zeit hinaus. Eine besondere Rolle spielt die Maske. Unter ihr verschwinden Stand, Rang und Unterschiede. Menschen begegnen sich auf Augenhöhe. Es entstehen Nähe, Freiheit und Austausch, die im Alltag oft verborgen bleiben. Die Masken selbst tragen etwas von der Ewigkeit in sich: Sie bleiben jung und unverändert, auch wenn
die Trägerinnen und Träger wechseln. Wer ein Häs übernimmt, übernimmt zugleich Geschichte – und schenkt ihr neues Leben. So lebt die Tradition fort, über Generationen hinweg.
Und so ist die Fasnet auch mehr als Jubel und Ausgelassenheit. Sie kann berühren, nachdenklich machen, ja zu Herzen gehen. Sie erlaubt uns, mit einem Augenzwinkern auf die Welt zu blicken, Missstände aufzuzeigen, Grenzen spielerisch zu überschreiten – und gerade so Gemeinschaft und Identität zu stärken.
Die Anerkennung der schwäbisch-alemannischen Fastnacht als immaterielles Kulturerbe der UNESCO macht all dies sichtbar. Sie unterstreicht: Es handelt sich nicht um Folklore, sondern um ein lebendiges Kulturerbe, das uns Wurzeln schenkt, unsere Kultur prägt und unsere Zukunft bereichert.
Unsere Fasnet ist aber vor allem eins: Eine Einladung. Eine Einladung an alle, auf einem festen Wertefundament mitzumachen. Egal woher jemand kommt, wen jemand liebt, an welchen Gott jemand glaubt. Welche Hautfarbe, Herkunft oder Bildungsstand jemand hat. Fasnet schafft den so oft beschworenen Zusammenhalt in unserem Land. Das lebt vom Ehrenamt – dafür danke ich von Herzen allen, die mit anpacken.
Das Landschaftstreffen Donau 2026 in Ehingen bringt all das zusammen. Es zeigt die ganze Farbenpracht der Häser, die Ausdruckskraft der Masken, die Kraft der Musik und vor allem: die Freude der Menschen, die mit Hingabe dieses Erbe lebendig halten.
Feiern wir voller Freude die Fasnet – als Herzschlag im Jahreslauf, als Quelle der Gemeinschaft, als Schatz der Ewigkeit.
Deshalb schließe ich mit einem kräftigen „Kügele Hoi!“
Manuel Hagel MdL
Partei- und Fraktionsvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg
Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2026
